Montag, 19. September 2016 | Stephan Weckschmied | News
Große Überredung ist nicht nötig, als ich gefragt wurde, die neue Honda Africa Twin ausgiebigst in dem Kurvenparadies rund um Malaga zu testen.
Zugegeben, als ich vor meiner Abreise nach Spanien in der Garage von Edelweiss Bike Travel einen ersten flüchtigen Blick auf die Africa Twin werfen konnte, war ich ein wenig skeptisch. Ob dieses Revival einer so starken Motorradlegende wirklich hält, was es verspricht.
Mein Eindruck innerhalb eines fahrintensiven Tages: Das und noch Vieles mehr!
Auf dem Parkplatz nehme ich auf der schmalen, weichen Sitzbank Platz .Zunächst fällt mir das ungewöhnlich vertikal ausgerichtete Display des Cockpits auf. Und das ist auch gut so, denn so beschäftige ich mich vor Beginn der Fahrt mit der Menge an Information, die sich derzeit noch nicht wegselektieren lässt. Ich persönlich fände eine besser lesbare Anzeige praktischer, denn ungünstig einfallendes Sonnenlicht macht es schwer, etwas zu erkennen. Entsprechend ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten gibt es im Außenbereich des Cockpits zwei Schalter, mit denen sich sowohl Traktionskontrolle als auch ABS abschalten lassen. Bei jedem Neustart muss sich der Fahrer durch das Set-up Menü durcharbeiten. Schade ist, dass die Möglichkeit fehlt, persönliche Einstellungen zu speichern.
Automatisch wandert mein Blick nach vorn und trifft auf die zunächst angenehm hohe Windschutzscheibe. Mit über 1,70 cm Körpergröße empfinde ich sie eigentlich nicht als zu hoch, dennoch ertappe ich mich dabei, wie ich mich während des Fahrens hin und wieder aufrichte, um drüber schauen zu können. Ihr oberes Ende ist bei entspanntem Fahren genau auf Augenhöhe und stört manchmal mein Blickfeld. Ein verstellbares Windschild wäre ideal.
Ein enttäuschendes Detail fällt bei der Beladung den serienmäßigen Seitenkoffern, bzw. dem Topcase auf. Bei einem so großartigen Motorrad hätte ich hier eigentlich bessere Qualität bei der Verarbeitung erwartet. Aber dies ist dank dem Zubehör von Touratech eigentlich nicht wirklich ein Problem, sondern kommt individuellen Wünschen eher entgegen.
Sobald ich den Motor gestartet habe und die ersten Kilometer gefahren bin, übernimmt der stärkste Eindruck der neuen Africa Twin die Show: der Performance des Motors!
Die laufruhige, 1000 Kubik starke Maschine mit ihrem tiefen runden Sound ist beeindruckend! Die 95 PS geben dem 212 Kilo schweren Bike genau die richtige Power. Das Fahrwerk überzeugt mich sowohl auf den berühmten 40 fließend zu fahrenden Kurvenkilometern von San Pedro de Alcantara nach Ronda, als auch auf dem Reigen an engen Kehren und Kurven, die ich im Hinterland nebenan finde. Es macht einfach nur Spaß! Stellenweise hat hier der letzte Regen einiges an Dreck auf die Straße gespült und sie damit abschnittsweise fast schon in eine Off-road-Piste verwandelt. Aber auch hier düse ich mit der Africa Twin problemlos durch. Da sie ja unter anderem auch fürs Gelände konzipiert ist, suche ich mir extra noch eine kurze Schotterpassage. Wie erwartet benimmt sich die neue Honda auch hier spurtreu und fahrstabil.
Der mit 230/220 mm relativ hohe Federweg bietet in Kombination mit dem 21 Zoll großen Vorderrad und dem 18 Zoll Hinterrad sowohl auf der Straße als auch auf grobem Terrain eine extrem gute Performance. Mir gefällt die etwas weichere Einstellung der Gabel, während vermutlich manch Einer der härteren Einstellung den Vorzug geben wird.
Ein ganz besonders harmonisches Fahrgefühl vermittelt mir das angenehm weiche Schalten der Gänge. Die Africa Twin, die ich hier fahre, ist standardmäßig mit Kupplung und Fußschaltung ausgerüstet.
Wer auf andalusischen Straßen an einem der „Achtung Kurven“-Schilder vorbei fährt, weiß – jetzt geht’s richtig zur Sache! Nicht nur eben mal zwei drei Biegungen in Reihe, die ein müdes Lächeln erzeugen, sondern kontinuierliche Abwechslung zwischen links und rechts kombiniert mit auf und ab zeichnen jedem Motorradfahrer ein breites Grinsen ins Gesicht! Während andere Motoren permanentes Schalten erfordern oder den Eindruck vermitteln, dass man zu unter- oder übertourig fährt, lässt sich die Africa Twin ganz entspannt im dritten Gang durch das Kurvengeplänkel dirigieren.
Der 18,8 Liter große Tank der AT soll mich laut offiziellen Angaben 400 km weit tragen. Ganz so weit bin ich wegen der vielen Kurven heute nicht gekommen. Heruntergebrochen auf meine Tageskilometer habe ich jedoch die 4,5 Liter Marke nur geringfügig überschritten.
Um jetzt, gegen 16 Uhr, nochmals auf die Sitzbank zurück zu kommen – mein Rücken und Gesäß sind nach einem vollen fahrintensiven Tag im Sattel immer noch entspannt, wenngleich sie manch andrer als zu weich empfinden könnte.
Fazit am Ende eines grandiosen Fahrtages: die neue Honda Africa Twin ist ein wirklich sehr gutes Motorrad, dass durch ihre Vielseitigkeit besticht. Auf meiner ersten Tour war sie im Passagierbetrieb dabei und hat auch in dieser Hinsicht nur positives Feedback bekommen.
Ob als Touringbike oder als Fernreisemotorrad, Honda ist mit dieser neuen Africa Twin das Wiederaufleben einer Legende perfekt gelungen.
Euer Tourguide,
Angela de Haan